Freie Waldorfschule Trier

„Das Kind in Ehrfurcht aufnehmen, in Liebe erziehen und in Freiheit entlassen.“ Rudolf Steiner

Demokratietag 2017: Thema Flüchtlingspolitik

Im abgedunkelten Dachsaal blicken 150 Augenpaare gespannt auf die große Leinwand. Der laufende Film zeigt Interviewausschnitte mit Deutschen unterschiedlichen Alters. Es geht um die Frage, wie hoch die Anerkennungsquote von Asylbewerbern als politisch Verfolgte nach §16aGG sei. Vorher hatte Moderator Helge Eikelmann dieselbe Frage den Schülern gestellt. Hier lagen die geschätzten Prozentwerte zwischen 15 und 60 %. Ganz ähnlich äußern sich nun auch die Interviewpartner im Film. Nur eine Dame tippt auf „unter 1 %“ und erntet dafür bei den Schülern Gelächter. Tatsächlich, so werden sie von Herrn Eikelmann aufgeklärt, liegt die Quote im Jahr 2017 bisher bei 0,6 %. Ungläubiges Staunen – und die Schüler beginnen zu ahnen, was damit gemeint war, als Herr Eikelmann nach einem Schülerbeitrag in die Runde fragte, ob die Antwort denn nun gewusst oder gefühlt sei.

Eine differenzierte Betrachtung ist hier angebracht, denn die allermeisten Flüchtlinge, sei es als politisch Verfolgte oder weil sie vor Krieg oder Bürgerkrieg in ihrem Land fliehen, bekommen eine Rechtsstellung als Flüchtling gemäß der Genfer Konvention (20,9 %) oder sogar nur den sog. subsidiären Schutz(17,0 %) für die Dauer von 1 oder 2 Jahren gewährt. Letztere müssen nach Beendigung des Krieges wieder in ihr Heimatland zurückkehren. Näheres ist dem Geschäftsbericht für August 2017 des BaMF zu entnehmen.

Eben genau draufzuschauen, dazu sollten die OberstufenschülerInnen in dieser mehrstündigen Veranstaltung durch die redegewandt und durchaus auch herausfordernd agierenden Moderatoren Eikelmann und Kiesel des Vereins Die Multivision aus Hamburg angeregt werden. Die SchülerInnen hatten teilweise für diesen Tag in ihrer Geschichts- bzw. Sozialkundeepoche einen Beitrag erarbeitet. Die Klasse 10 hatte in einer Gruppenarbeit einen PowerPoint Vortrag zusammengestellt. Die 11. Klasse hatte eine fiktive Sitzung des Europäischen Rates zur Flüchtlingsthematik vorbereitet, die nun dargestellt wurde. Der Schüler Mohammed aus der 10. Klasse beschreibt in schlichten Worten seine Flucht aus Syrien.Am spannendsten wurde es aber, als der Gast der Veranstaltung, Peter Keup, seine Fluchtgeschichte erzählt: 1981 war als 22 Jähriger aus der DDR geflohen - oder hatte es versucht und landete im Stasigefängnis in Hohenschönhausen. Die Schülerinnen lauschten gebannt und sind sehr beeindruckt. Für den Abschluss hatten die Veranstalter eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion organisiert. Dem Podium gehören neben Herrn Keup die Integrationsbeauftragte der Stadt Trier, Frau Dr. Duran Krämer, der SPD Landtagsabgeordnete Sven Teuber und der Präsident des Landgerichts Trier, Dr. Grüter an. Es ergab sich ein interessantes Gespräch, in dem Herr Teuber den Horizont der Flüchtlingsdebatte zu erweitern versucht: Man müsse stets die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Fluchtländern im Auge behalten und hier entwicklungspolitisch viel stärker als bisher eingreifen. Dr. Grüter fordert die Schülerinnen nachdrücklich auf, sich in den Medien kritisch und ausführlich zu informieren und mehr als nur noch poppige Überschriften aufzunehmen. Frau Duran Kremer erhielt einen Extraapplaus des Publikums für ihren Appell zur Bereitschaft, fremden Kulturen Interesse und Offenheit entgegen zu bringen.Als der anstrengende, aber überaus interessante Vormittag zu Ende war, rauchen die Köpfe – und die Diskussionen gingen weiter.

Oberstufenforum 2017